Druck als Managementwerkzeug – Warum das auf Dauer nicht funktioniert

Es ist Freitagmorgen, das Meeting beginnt. Die Chefin betritt den Raum und verkündet mit Nachdruck: „Leute, wir müssen die Deadline unbedingt noch diese Woche schaffen. Die Investoren sitzen uns im Nacken!“ Die Atmosphäre im Raum ändert sich sofort – ein Gemisch aus Nervosität, Adrenalin aber vielleicht auch leichtem Widerwillen liegt in der Luft. Vielleicht kennst Du solche Situationen, oder auch drastischere, in denen ein Chef die gesamte Organisation konstant unter Druck setzt?

Auf den ersten Blick scheint Druck ein effektives Managementwerkzeug zu sein: Es weckt Teams auf, erzeugt eine gewisse Dringlichkeit und bringt den Motor ins Laufen. Doch wie bei einem Auto im Dauerhochbetrieb: Irgendwann raucht es.

Die kurzfristige Wirkung – manchmal funktioniert Druck ja!

Druck kann tatsächlich kurzfristig motivierend wirken. Studien zeigen, dass moderater Stress – auch „Eustress“ genannt – kurzfristig unsere kognitiven Fähigkeiten steigern kann. Daniela Kaufer, Neurowissenschaftlerin an der University of California, Berkeley, fand heraus, dass akuter, überschaubarer Stress in kontrollierten Situationen das Gehirn schärfen kann. Es wird quasi ein kleiner Turbo gezündet: Das Denken wird fokussierter, Entscheidungen werden schneller getroffen, und der Drang, Ergebnisse zu liefern, steigt.

Besonders in wirklich kritischen Situationen – wie bei Notfalleinsätzen – kann eine gewisse Dosis an Druck sinnvoll sein. Auch für manche Sportlerin oder manchen professionellen Schauspieler stellt Stress einen Ansporn dar. Doch diese Effekte sind nicht nur flüchtig, sondern auch fragil. Druck funktioniert nur, wenn er klar begrenzt, gut kommuniziert und als Herausforderung wahrgenommen wird – und nicht als Bedrohung.

Auf die Dauer wird Druck problematisch

Doch was passiert, wenn Druck zur Dauerstrategie wird? Hier lohnt sich ein Blick in Richard Lazarus‘ Standardwerk „Stress and Emotion. A new Synthesis“. Er ist Pionier der Stressforschung. Lazarus prägte schon in den achtziger Jahren das Konzept, dass Stress immer davon abhängt, wie Menschen eine Situation wahrnehmen. Ist der Stressor – in diesem Fall der Druck – eine Herausforderung, spornt er uns an. Empfinden wir ihn hingegen als Hindernis oder Überforderung, beginnt die Abwärtsspirale: Kreativität leidet, die Leistungsfähigkeit sinkt, und am Ende stehen oft gesundheitliche Folgen wie Burnout oder Angststörungen.

Daniel C. Ganster & Christopher C. Rosen geben im Journal of Management im Juli 2013 einen Überblick über die Forschung. Auch sie zeigen wie chronischer Druck nicht nur die Produktivität senken, sondern auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere gesundheitliche Probleme erhöhen kann.

Hinzu kommt, dass ein solcher Arbeitsstil die Unternehmenskultur vergiftet: Mitarbeitende verlieren Vertrauen in ihre Führungskräfte, das Teamgefüge bricht auf, und innovative Ideen versanden, weil der Fokus nur noch auf „Liefern um jeden Preis“ liegt. Im schlimmsten Fall werden sogar Zahlen geschönt oder sogar gefälscht, nur um einem aggressiven Vorgesetzten nicht mit schlechten Nachrichten gegenüber treten zu müssen.

Die Kosten von Unhöflichkeit

Insbesondere wenn der Druck in unzivilisiertes, unhöfliches Verhalten umschlägt, sind die Kosten für das Unternehmen sehr hoch. Christine Porath & Christine Pearson beschreiben in Ihrem Harvard Business Review-Artikel die unterschiedlichen Formen von Unhöflichkeit, die am Arbeitsplatz zum Problem werden können. Ihre Beispiele sind vielfältig. In manchen Unternehmen leiden die Mitarbeitenden unter einem „Boss from hell“, der aktiv unterdrückt und beschimpft. Ein anderes Mal werden Vorgesetzte beschrieben, die ihren Kolleg:innen nicht zuhören und deren Ideen lapidar vom Tisch fegen. Aber auch subtilere Formen der Unhöflichkeit wie das Beantworten von Emails während eines Meetings haben negative Auswirkungen.

Derart unhöfliches Verhalten von Vorgesetzten führt bei den Mitarbeitenden häufig zu bewusst verringertem Arbeitseinsatz, geringerer Qualität, weniger Engagement und ultimativ sogar zu der Entscheidung, den Arbeitsplatz zu verlassen. Gleichzeitig wird erhebliche Zeit und Energie darauf verwendet, die Situation zu verarbeiten, sich bei anderen zu beschweren oder dem Verursacher gleich ganz auszuweichen.

Druck – ein Managementwerkzeug mit Ablaufdatum

Druck ist also wie Koffein: In kleinen Dosen ein Wachmacher, in großen ein Gesundheitsrisiko. Wer als Führungskraft glaubt, mit ständigem Druck Höchstleistungen zu erreichen, irrt. Druck ist nicht nachhaltig. Er mag kurzfristig Ergebnisse liefern, aber er verbrennt Ressourcen – die psychischen und physischen Energiereserven der Mitarbeitenden. Insbesondere beim Umgang mit komplexen  Herausforderungen ist zu viel Druck kontraproduktiv und sogar gefährlich. Hier sind neue Ideen, kreative und vielleicht ungewöhnliche Vorschläge von Nöten. Unter Druck entstehen zwar Diamanten, aber keine innovativen, für die Herausforderung passenden und durchdachten Strategien.

Die Alternative: Psychologische Sicherheit statt Dauerstress

Anstatt auf konstanten Druck zu setzen, sollte zeitgemäße Führung auf psychologische Sicherheit bauen. Das bedeutet, Teams so zu führen, dass sie sich trauen, Fehler zu machen, neue Ideen einzubringen und offen zu kommunizieren. Diese Art von Kultur schafft nicht nur Innovation, sondern auch Resilienz. Und sie liefert langfristig bessere Ergebnisse – ohne dass die Mitarbeitenden am Ende der Woche völlig ausgebrannt nach Hause schleichen.

Das bedeutet nicht, dass keine ambitionierten Ziele gesetzt werden sollten. Die Menge macht das Gift. Die folgende Grafik, die wir dem Buch „The Fearless Organization. Creating Psychological Safety in the Workplace for Learning, Innovation, and Growth” von Amy Edmondson entnommen haben, zeigt den Zusammenhang sehr schön: wirkliche Hochleistung kann nur bei klaren und ambitionierten Performance Standards in einem Umfeld der hohen psychologischen Sicherheit entstehen.

Hohe performance Standards & ein Umfeld der psychologischen Sicherheit anstatt von Druck als Managementwerkzeug

Also, beim nächsten Meeting: Statt Druck zu machen, einfach mal fragen: „Wie können wir dieses Ziel gemeinsam erreichen, ohne uns dabei zu überfordern?“ Und es im Idealfall nicht bei dieser einen Frage belassen, sondern mithilfe von Retrospektiven, Check-ins und anderen Methoden gemeinsam mit dem Team den persönlichen Stresslevel im Blick behalten. Das bringt nicht nur bessere Ergebnisse, sondern auch gesündere, zufriedenere Teams.

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In unseren Programmen zur Führungskräfteentwicklung widmen wir uns ganz dezidiert Themen wie psychologischer Sicherheit, der Feedbackkultur oder der Gestaltung von ergebnisorientierter Zusammenarbeit. Auf unserem Lernportal bieten wir Dir eine Methodbox mit über 100 Tools, die insbesondere in komplexen Umfeld besser funktionieren als Druck. Bei Interesse sprich uns gerne an.

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